Der letzte Tag der „Ich fühle mich wie Indiana Jones“-Tour bricht an. Da José weder Huhn noch Hahn besitzt, weckt uns an diesem Morgen kein sich gegenseitig übertrumpfendes, gackerndes Federvieh. Doch werde ich Portobelo überhaupt erreichen? José macht mir ein beinahe unwiderstehliches Angebot: Ich könne ja bei ihm bleiben, um Spanisch zu lernen. Romantik im Regenwald. „Should I stay oder should I go“ von The Clash klingt in meinen Ohren. Schweren Herzens schlage ich die Offerte des Embera-Indianers aus.
Wir machen uns auf nach Portobelo: In die Stadt des „schönen Hafens“, wie Kolumbus den Ort einst beschrieb, als er 1502 dort von Deck ging. Irene schwärmt noch immer von Josés Vorschlag. In ihrer Vision sieht sie mich mit neun Kindern über die Wiesen springen. Mit 37 Jahren wird es ziemlich schwer werden, noch so vielen Kindern das Leben zu schenken, sage ich ihr. Sie prophezeit mir drei Geburten mit Trillingen. Holla die Waldfee!
Die kommenden Stunden überqueren wir Dutzende Male den Rio Cascajal. Die ebene Strecke an diesem Vormittag ist nach dem Hoch und Runter der vergangenen Tage echt angenehm. Doch ich habe mich zu früh gefreut. Noch drei Hügel würden uns von Portobelo trennen, macht uns Molinar Hoffnung. Ich schenke ihm Glauben. Anscheinend habe ich nicht aus der gestrigen Lektion gelernt, es sind gefühlt zwanzig Berge, die uns von der Hafenstadt trennen. Zweite Lektion: Nicht nur Längenangaben, sondern auch jedwede Anzahl mal drei oder vier nehmen.
Endlich! Wir erreichen die Straße, die nach Portobelo führt. Unser Fahrer Hector wartet schon auf uns. In einem kleinen Restaurant an der Straße essen wir zu Mittag.
Dann brechen wir auf nach Portobelo, um das heute eher verschlafene Nest zu erkunden. Man kann sich kaum vorstellen, dass die karibische Stadt einst ein bedeutender Dreh- und Angelpunkt in der Karibik war, um Gold, Silber, Perlen oder exotische Gewürze nach Europa zu verschiffen. Vor der Kirche Iglesia del Cristo Negro machen wir Halt.
Dort erwartet uns ein Kuriosum der Katholischen Kirche. In einer Glasvitrine steht eine schwarze Christusfigur.
Dem Schwarzen Christus zu Ehren findet jedes Jahr am 21. Oktober eine der wichtigsten Prozessionen des Landes statt, zu der Gläubige aus ganz Panama strömen. Doch warum wird ein Schwarzer Christus in Portobelo verehrt? Einer Legende zufolge tauchte während einer Cholera-Epidemie eine Holzkiste in der Bucht auf. In ihr befand sich eine schwarze Jesusstatue. Die Epidemie verschwand noch am selben Tag, heißt es in der Überlieferung.
Nachdem wir Cristo Negro bestaunt haben, laufen wir durch kleine Gassen, vorbei an Fußball spielenden Kindern und Einheimischen die Touren in den Dschungel feil bieten. Der Horizont weitet sich, vor uns liegt die Festungsruine San Jeronimo. Der Blick auf die Bucht ist atemberaubend. An der Küste recken sich vom Regenwald bewachsene Hügel empor. Weiße Tupfer zieren das azurblaue Karibikwasser. Es sind kleine Segelboote, die sich tänzelnd an den Wellen brechen.
Verrostete Kanonen richten ihre Mündung auf die Bucht.
Auch an den grau-braunen Festungsmauern nagt der Zahn der Zeit.
Seit 1980 zählt das im 17. Jahrhundert erbaute Fort San Jeronimo zum UNESCO-Weltkulturerbe. Panama tut viel zu wenig, um diese historische Stätte vor dem Zerfall zu schützen. Die Stadt verlor ihre Bedeutung als Warenumschlagplatz, als der Panamakanal gebaut wurde.
Ein zweistöckiges Steinhaus nahe des Forts weckt mein Interesse. Es ist das 1630 erbaute Royal Customs House. Hier wurden die erbeuteten Reichtümer solange verwahrt, bis sie auf die spanischen Schiffe geladen wurden.
Portobelo, ein verschlafenes Karibikstädtchen, das viele Touristen links liegen scheinen zu lassen. Schade eigentlich!
Doch bevor wir Portobelo verlassen, warte ich noch mit einem Fun Fact auf: Sir Francis Drake sang hier sein letztes Liedchen. Doch der legendäre Freibeuter starb keinen heldenhaften Seefahrertod. 1596 segelte er vor Portobelo. Er hatte im Auftrag der englischen Krone einen Monat zuvor versucht, Panama-Stadt einzunehmen. Das klappte jedoch nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Die Spanier wehrten sich mit aller Macht gegen ihre Erzfeinde. Drake segelte danach zu neuen Angriffszielen, kehrte jeoch wegen schlechter Winde nach Portobelo zurück. Dort starb er nicht im Kampf, sondern an einer Darminfektion. Nach altem Seemannsritus wurden seine Gebeine dem Meer übergeben.